Unsere Projektwoche an der Karl-May-Grundschule

„Hospiz macht Schule“ – Fazit eines Projektes, das Staunen machte.

In der Hospizarbeit das Wort „Spaß“ zu verwenden, löst sicher bei vielen zunächst Befremden aus. Dennoch hat uns ein Projekt, das im Juni dieses Jahres seinen Abschluss fand, ausgesprochen Spaß gemacht. Es ging darum, sich mit Kindern einer 3. Klasse eine Woche lang auf verschiedene Weise mit dem Tod zu beschäftigen.

„Hospiz macht Schule“ ist in Sachsen das erste Mal angeboten worden. Der Direktor der Karl-May-Grundschule in Hohenstein-Ernstthal bekundete auf unser Schreiben sofort sein Interesse.

Anderthalb Jahre hatten sieben ehrenamtliche Hospizhelferinnen das Projekt vorbereitet. Themen wie Werden und Vergehen,  Krankheit und  Leid, Sterben und Tod, vom Traurig sein und von Trost und Trösten mussten pädagogisch, methodisch und inhaltlich angeeignet werden. Bei der anspruchsvollen Bandbreite äußerten Eltern und Klassenlehrerin verständlicherweise Bedenken, ob derlei Themen in diesem Alter für Kinder schon zu bewältigen sind. Es waren einige Informationsgespräche mit Eltern und Lehrern nötig, die anfängliche Skepsis weitgehend zu zerstreuen.
Wir brauchten aber auch finanzielle Unterstützung und die bekamen wir unter anderem dankenswerterweise vom Lions Club Limbach-Oberfrohna und der Sparkasse Chemnitz.

Nach Abschluss der Projektwoche waren alle Erwachsenen überrascht und erstaunt, mit welcher Unbefangenheit die Schülerinnen und Schüler sich den Themen stellten. Es wurde diskutiert, Emotionen wurden gemalt oder in Tanz und Pantomime ausgedrückt. Eine Ärztin antwortete auf Fragen, wie: „Was ist die Ursache von Neurodermitis?“ oder „Wie wird Medizin hergestellt?“ oder „Was passiert, wenn der Kiefer knackt?“, „Warum Schwitzen wir?“ und „Was ist der Unterschied zwischen gebrochen, verstaucht und geprellt?“. Die präzisen Fragen überraschten manchmal die Ärztin selbst. Die Krankheiten dann später pantomimisch darzustellen, machte den Kindern nicht nur Spaß, sondern zeigte, wie genau sie beobachtet und das Wesentliche erkannt haben.

Der dritte Tag war wohl am aufschlussreichsten. Es ging es um Sterben und Tod. Geschichten und der Film „Was ist mit dem Tod?“ boten den Kindern auf behutsame Weise einen Zugang zu einem oft als Tabu behandelten Thema. Auf die Frage, ob es besser wäre, wenn es gar keinen Tod gäbe, antworteten sie fast einhellig mit „Nein“. Es müsse den Tod geben, sonst hätten die Menschen irgendwann keinen Platz mehr auf der Erde. Ein Kind meinte, dass tot sein gar nicht so schlimm sei. Der Tod gehöre zum Leben dazu.

Für die Kinder war es besonders wichtig, dass Menschen, die sterben müssen, getröstet werden. Dass man ihnen etwas Gutes tut: sie streichelt, ihre Hand hält, Geschichten vorliest oder einfach nur zuhört.

Der Lastentanz

Der Lastentanz

Am vierten Tag ging es um das Traurigsein nach dem Tod eines Angehörigen. Was ist das für ein Gefühl? Am besten ließ sich das in einem Bild ausdrücken. Interessant war, dass bei allem Schwarz und Dunkelviolett in den Bilder immer auch ein heller Strich oder ein Punkt, ein Stern oder ein Licht erkennbar war. Eine lichter Moment sozusagen innerhalb der Trauer. Als dann noch eine Bohne gepflanzt wurde, ist diese Hoffnung nach neuem Leben bestärkt worden. Altes vergeht und etwas Neues kommt.

Den fünften und letzten Tag haben die Kinder zusammen mit den Eltern beendet. Es ging ums Trösten und darum, was ihnen in der Projektwoche gut getan hat. Wie brachte ein Kind seine Erkenntnis auf den Punkt?: „Man darf nie sagen, es ist egal, wie es dir geht!“ So schrieben sie  Briefe an jemanden der Trost braucht. Als Höhepunkt des Tages führten die Kinder vor, was sie in der Woche alles erlebt hatten. Das Gemalte konnte bestaunt, die Pantomime bewundert und die erstaunlichen Gedanken der Kinder gelesen werden. Zum Schluss tanzten alle den „Lastentanz“, der von der Last der Traurigkeit befreit. Bei den Eltern war die Erleichterung nach dieser Projektwoche deutlich spürbar. Anfängliche Bedenken waren nicht bestätigt worden. Die Kinder hatten das Thema mit Souveränität und entspannter Ehrlichkeit bewältigt und waren nicht überfordert worden.

Die Klassenlehrerin fasste anschließend zusammen: „Es war eine schöne, intensive und gelungene Woche. Der Nachklang bei den Kindern ist sehr positiv.“

Glauchau, 19.6.2015 Christian Gutowski